Der interaktive Gottesdienst – ein erster Versuch

Gottesdienst ist keine One-Man-Show mehr. Die Gemeinde ist nicht nur eine passive Zuhörerin, sondern will hin und wieder beteiligt werden, selbst aktiv werden und vor allem selbst vorkommen. Mehr durch Zufall wurde mein letzter Gottesdienst interaktiver, als alle vorhergehenden.

Den Gottesdienst am Sonntag Quasimodogeniti (was für ein Wort!) stand ich mit der Prädikantin der Gemeinde auf dem Gottesdienstplan, sodass wir zu zweit ruhig etwas mehr Aufwand treiben konnten. Durch Terminschwierigkeiten hat es dann bis kurz vorher nur für eine Mail-Kommunikation gereicht, in der sich die Prädikantin etwas cooles, interaktives wünschte, vielleicht ein fiktives Interview, um ein bisschen Dialog in den Monolog zu bringen.

Damit war der Grundstein gelegt, auch wenn ich mir unter etwas interaktivem mehr vorstellte. Meine Gedanken gingen zurück in die gute alte Jugendgottesdienstzeit. Stationen? Zu viel Aufwand für einen (fast) normalen Sonntagsgottesdienst und den dazugehörigen Besuchern. Die Gemeinde um eigene Ad-Hoc- Statements zu ihrem Glauben schreiben oder gar sagen lassen? Vermutliche eine Überforderung. Fürbitten per SMS einsammeln? Falsche Zielgruppe.

Alles gut vermengt ist aber folgendes dabei herausgekommen: Glaubensstatements in der Predigt verwenden fand ich eine sehr gute Idee, aber sie sollten eben nicht spontan gezwungen sein. Ein fiktives Interview fand ich doof, weil gefühlt bei so einem Thema etwas authentisches kommen muss. Also, was tut der Herr Theologe, der sich zufällig ein wenig mit Computern auskennt? Richtig, eine Onlineumfrage. Die habe ich fluchs mit meiner* sowieso im Netz stehenden Seite gebastelt und in allen Kanälen verbreitet, die ohne Aufwand erreichbar waren. Die Fragen waren:

  • Ich glaube, dass …:
  • Das glaube ich, weil…:
  • Bist du ein Zweifler? (vier Antwortmöglichkeiten)
  • Dazu noch die freiwilligen Felder:
    • Ist Liebe beweisbar? (Ja/Nein)
    • Was ich noch sagen möchte:
    • Name
    • Alter

In den knapp eineinhalb Tagen bis zur finalen Predigtvorbereitung bekam ich 39 Rückmeldungen, die allesamt sehr persönlich waren. Es ist unglaublich wie offen die Statements sind und ich freue mich, dass in der kurzen Zeit so viele sich getraut haben etwas über ihren Glauben zu schreiben.

Überrascht hat mich die unglaublich positive Resonanz darauf, dass ich für einen Gottesdienst eine Umfrage starte… Das hätte ich ehrlich gesagt nicht erwartet, aber vielleicht bin ich zu sehr im Thema SocialMedia, Rückkanal bieten und Dialog ermöglichen drin.

Mit diesen Antworten hatte ich genug Material, um mich in die Predigtvorbereitung zu stürzen. Es wirde ein Hattrick aus Jesaja 40,26-31 (Predigttext), dem ungläubigen Thomas und den brandaktuellen Statements.** Alle 39 Umfrageantworten habe ich dann nach Rücksprache mit der Prädikantin am Ausgang der Kirche aufgehängt, damit ich die Gottesdienstbesucher nach dem Gottesdienst einen weiteren Eindruck verschaffen konnten.

Das eigentlich Interaktive für die Gemeinde (die so weit ich weiß nur von 1-2 Menschen aus der Gemeinde ausgefüllt wurde, weil mein SocialMedia-Netz noch nicht weit in die Gemeinde hereinreicht) war dann aber, dass sie während des Gottesdienstes eigene Fürbitten aufschreiben durften, die dann während des Lieds vor dem Gebet zu einem solchen zusammengestellt wurden. Die sehr positiven Rückmeldungen nannten aber auch einen Verbesserungsvorschlag, den ich das nächste Mal beherzigen werde: Während des normalen Gottesdienstes ist es schwer Fürbitten aufzuschreiben. Besser es gibt extra Zeit mit Orgeluntermalung o.ä. Da wir nicht wussten, ob es überhaupt oder viel zu viele Fürbitten gibt, haben wir mit allen Varianten geplant. Ein komplett vorbereitetes Fürbittengebet für den ersten Fall (ok, wir haben eins aus der Reformierten Liturgie rausgesucht) und eine Gebetseinleitung in dem wir uns für die überwältigend große Beteiligung bedanken und uns entschuldigen, dass nicht alle Anliegen ins Gebet kommen werden. Glücklicherweise trat bei uns der dritte Fall ein, es waren genau richtig viele Fürbitten.

Eine detaillierte Rückmeldung von meinem Gemeindementor habe ich leider noch nicht bekommen, weil er schnell zum nächsten Termin musste, aber die Rückmeldungen der Gemeinde waren sehr positiv. Ich habe noch nie nach einem Gottesdienst so oft „Danke“ gehört.

Es ist toll sich im Vikariat so ausprobieren zu dürfen, vor allem, wenn einem nicht nur eine fitte Prädikantin zur Seite steht, sondern auch wenn man einen Mentor hat, der einem die Vorbereitungszeit für etwas besonderes lässt.

Am Ende bleibt mir nur selbst danke zu sagen: Danke an alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Umfrage, danke an die Prädikantin und alle anderen Beteiligten, Danke liebe Chefs (Mentor, Gott)!

 

*Nicht ohne Grund wollte ich auf einen externen Dienstleister verzichten. Es sollte möglich sein, anonym an der Umfrage teilnehmen zu müssen, ohne irgendwelche Firmen mit Daten zu beliefern.

**In der Umfrage habe ich nur angekündigt, die Einsendungen im Gottesdienst zu verwenden, deshalb fühle ich mich gebunden sie nicht hier zu veröffentlichen. Da sechs der Statements wörtlich in meiner Predigt auftauchen, kann ich diese auch nicht öffentlich machen, bitte verzeiht. Aber wer konnte damit rechnen, dass eine simple Umfrage so ein Interesse weckt? 🙂

3 Antworten zu „Der interaktive Gottesdienst – ein erster Versuch“

  1. Avatar von Jangeschmiert!

    Gratuliere zur gelungenen Interaktion! Inspirierend – Hast du das mit der Umfrage über ein wp-dings gemacht oder wie funktioniert sowas?
    lg, Jan

    1. Avatar von Wolfgang Loest

      Dankeschön!
      Ich habe ja die Seite für mein Kleinunternehmen (loest.org) online. Da arbeitet das CMS Drupal im Hintergrund (für die Umfrage war das Webform-Modul im Einsatz), was für mich die einfachste und vor allem zeiteffektivste Option war. Das Blog hier ist ja direkt bei wordpress.com gehostet, sodass hier auch diverse datenschutzrelevanten Fragen zu klären gewesen wären. Beim normalen Blog-Lesen sollte jeder wissen, was er tut, aber bei solch persönlichen Umfragen wollte ich einfach sicher gehen, dass nicht mehr Informationen gesammelt werden als gewollt. Das würde mir an der Stelle der Umfrageteilnehmer Sicherheit geben. Vielleicht bin ich da aber auch einfach übersensibel.

      Link zur Original-Umfrage: http://loest.org/content/was-glaubst-du

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